No Fate! – Plauderstündchen mit Avalanche

No Fate! - April 1996

Da behaupte noch mal einer, der deutsche Underground würde nicht existieren! Was die Westlichter Avalanche jedenfalls auf deren selbstfinanzierten und in Eigenregie veröffentlichten Debüt-CD Here Comes The King fabriziert haben, dürfte jeden, der Helloween, Fates Warning, eben auf anspruchsvollen und melodiebewussten (Speed-) Metal stehen, begeistern. Zu einem netten Plauderstündchen stellten sich Olaf (dr), Guido (voc) und Matthias „Matze“ (bs).

Kings will be Kings!

Cover - No Fate!

Cover – No Fate!

L.H.: Die Veröffentlichung liegt ja nun schon eine ganze Weile zurück. Wie sind denn die Reaktionen seitens der Presse und der Fans ausgefallen, und was hat sich seitdem getan bei euch?

Olaf: Die Reaktionen waren auf der ganzen Linie positiv. Wir haben sowohl in den großen deutschen, als auch in norwegischen, italienischen und amerikanischen Metal-Magazinen sehr gute Reviews bekommen. Daraufhin stieg natürlich auch die Nachfrage nach unserer Debüt-CD von seiten der Fans. Was Auftritte angeht, so sind wir letztens im Vorprogramm von Axxis aufgetreten, denen unser Album auch sehr gut gefallen hat. Das war tierisch geil und hat uns und den Zuschauern einen Riesenspass gemacht. Ansonsten sind unsere Konzerte aufgrund unseres niedrigen Bekanntheitsgrads mal gut, mal mäßig besucht. Damit muss man als Undergroundband leben. Wir machen trotzdem immer Vollgas und geben alles, damit der Zuschauer nach dem Gig mit dem befriedigten Gefühl nach Hause geht, den Abend genau richtig verbracht zu haben. Was die Plattenfirmen angeht, da flattern uns schon ein paar Angebote ins Haus, die Konditionen waren für uns allerdings nicht akzeptabel. Wir unterschreiben halt nichts blindlings drauflos.

L.H.: Die häufigsten Vergleiche waren wohl Helloween und Fates Warning; wie lebt man als junge Band mit solchen Vergleichen? Meiner Meinung können bei einer Newcommer-Band solche Vergleiche nicht schaden, denn der Leser kann die Band so gleich einordnen und weiß so ungefähr, ob er die Musik mag oder nicht.

Guido: Ich denke, als Newcommer-Band kommt man da eh nicht drumherum, und auch für den Leser ist es kein Nachteil, also ist völlig okay.

L.H.: Im Troubadicks habt ihr zu den Lyrics nicht ganz viel gesagt, mich persönlich würden aber die Inhalte zu Flame Of Life, Private Guardians und United mal interessieren.

Guido: Flame Of Life und Private Guardians laufen eigentlich in eine ähnliche Richtung. In beiden Songs geht es um die wachsende Kriminalität, vornehmlich in Großstädten. Das Leben ist eigentlich schweinegefährlich geworden und Flame Of Life soll etwas überspitzt darauf hinweisen, dass du selbst eigentlich nur noch ein kleines Flämmchen im Sturm bist, und genug damit zu tun hast, aufzupassen, dass du nicht „ausgeblasen“ wirst. Parallel dazu gibt es dann die Private Guardians, die privaten und bezahlten Schutztruppen, die sich die wachsende Angst der Befölkerung zunutze machen, um aus dieser Situation das beste für sich raus zuschlagen. Weißt du, aus Politik und Religion möchte ich mich möglichst raushalten, das ist jedem selbst überlassen, und irgendwas muss ich mir ja raussuchen, da fand ich dieses Thema ganz ansprechend. Der Song United geht zurück auf meine Kindheit, wo wir alle zusammen im Sandkasten spielten und dieselben naiven Ideen vertraten. Und im Laufe der Zeit gingen die Wege mehr und mehr auseinander und im Vergleich zu damals sind aus uns echte Schlaffis geworden.

L.H.: Wie seid ihr denn auf den Plattentitel und das Cover gekommen (sieht recht edel aus!)?

Matze: Der Titel Here Comes The King ist eigentlich eine Hommage an unser ältestes Stück The King, mit dem das alles begonnen hat. Naja, und die Assoziation zum Schach liegt unserer Meinung nach ziemlich nahe. Zum Glück hatten wir eine Designerin an der Hand, die unsere Idee gut umgesetzt hat.

L.H.: Gibt’s denn schon neues Material?

Matze: Unser neues Material fährt ungefähr auf der gleichen Schiene: hart, melodisch, schnell und abwechslungsreich – genauso, wie es uns gefällt. Allerdings werden die Songs von der Struktur her etwas technischer und komplexer. Das liegt schon am Einfluss von Lutz (neuer Gitarrist), der fährt voll auf Dream Theater ab. Wer aber unsere erste CD kennt, wird auch beim neuen Material schnell erkennen können: Das sind Avalanche!

L.H.: Viele Musiker meinen, in einer Band kann es keine echte Demokratie geben, einer muss das Sagen haben. Wie sieht es in der Beziehung denn bei euch aus?

Guido: (Lacht) Bei uns ist das umgekehrt, da haben alle bis auf einen was zu sagen. Nein, bei uns ist das wirklich so, dass absolute Gleichberechtigung oder, wie du sagst, Demokratie herrscht. Das ist zwar oft etwas mühsam, hat aber den Vorteil, dass ein eventueller Konflikt sofort und offen ausgetragen wird und somit schnell vom Tisch ist. Musik ist unser Hobby, da bringt jeder seine Zeit und seine Ideen ein – da soll dann auch jeder mitbestimmen sollen.

L.H.: Welche Chancen rechnet ihr euch überhaupt noch aus heutzutage, wo quasi jeden Monat dutzende neue Bands auf den Markt kommen?

Matze: Keine. Wir sind nicht darauf aus, um jeden Preis berühmt zu werden und laufen auch keiner Plattenfirma nach.

Guido: Wir wissen zwar, dass wir durchaus gute Chancen haben, einzuschlagen, da melodischer Power Metal recht selten geworden ist, aber wir erwarten jetzt keine Plattenverträge. Unser Ziel liegt vorrangig darin, möglichst auf Metall-Festivals aufzutreten, in Insiderkreisen bekannt zu werden und für Konzertveranstalter eine interessante Adresse zu werden.

L.H.: Etablierte Bands bemängeln oftmals „fehlende Risikobereitschaft“ bei deutschen Newcomern. Würdet ihr eure Berufe aufgeben, wenn das scheinbar „richtige“ Angebot kommt?

Olaf: Nur wenn das definitiv richtige Angebot kommt. Ich finde, man sollte gerade als Newcomer seine Situation nüchtern einschätzen. Musik soll uns in erster Linie Spaß machen, nur so kommt sie gut rüber. Wenn wir von der Musik leben müssten, dass wir uns ständig Gedanken machen müssten, wie wir die nächsten Monate finanziell über die Runden kommen können, wären wahrscheinlich weder wir, noch unsere Musik so sorglos und unverbraucht wie jetzt.

Guido: Wir haben zur Zeit eine Arbeitslosenquote, die so hoch ist wie nie zuvor. Darunter sind auch viele Musiker. Heutzutage ist Erfolg nicht mehr so von der musikalischen Qualität, als vielmehr von der Form der Promotion abhängig. Das sind Faktoren, auf die ich als Musiker keinen Einfluss habe. Das Musikgeschäft ist so schnelllebig, wer will da schon einfach seinen Beruf aufgeben. Es gibt Bands, die unterschreiben alles, wir nicht.

L.H.: Gibt es für euch jetzt eigentlich noch bestimmte Einflüsse, oder seid ihr schon so weit, dass man jetzt sagen kann, „wir sind Avalanche, richtet euch nach uns“?

Guido: Ich bin generell der Ansicht, dass jede Band ein Urknall ist. Das wird um so deutlicher, je mehr verschiedene Einflüsse man hat. Bei uns ist es so, dass jeder irgendwo eine andere Stilrichtung des Metal bevorzugt. Diese verschiedenen Stilrichtungen verschmelzen eben zusammen. Klar, das ist keine besondere bahnbrechende Welterneuerung, aber meiner Meinung nach stellt das Ergebnis schon einen Anspruch auf Eigenständigkeit.

Lothar Hausfeld

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